Donnerstag, 10. September 2020

X-MEN: THE NEW MUTANTS


X-MEN: THE NEW MUTANTS

Genre: Horror, Thriller, SciFi
Regie: Josh Boone
Cast: Maisie Williams, Any Taylor-Joy, Charlie Heaton
Laufzeit: 93 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
Verleih: Walt Disney


Poster zum X-Men: The New Mutants - Bild 37 auf 45 - FILMSTARTS.de
(c) Walt Disney



Inhalt:

In einer mysteriösen Klinik werden die Teenager Illyana (Anya Taylor-Joy), Sam (Charlie Heaton), Roberto (Henry Zaga) und Rahne (Maisie Williams) behandelt. Sie sind Mutanten und sollen angeblich unter der Anleitung von Dr. Reyes (Alice Braga) lernen, ihre Kräfte zu kontrollieren, damit sie keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellen. Doch nach der Ankunft der neuesten Patientin Dani Moonstar (Blu Hunt) leiden die übrigen Jugendlichen vermehrt unter Flashbacks, Albträumen und erschreckend realen Halluzinationen, was die ohnehin schon angespannte Situation unter den eingesperrten und wenige Freiheiten genießenden Teenagern noch weiter verschärft. Doch bald müssen sie feststellen, dass hinter ihrer Klinik mehr steckt, als sie bislang wissen. Die neuen Mutanten müssen nun ihre gegenseitige Skepsis ablegen und zusammenarbeiten, um gemeinsam mit vereinten Kräften zu überleben.


Bewertung:

Der eine oder andere Zuschauer wird „The New Mutants“ mit einem Gefühl der Neugierde und Vorfreude verlassen – nämlich auf das, was da jetzt kommt für diese neuen Mutanten, die keine „X-Men“ sind. Doch informierte Leser wissen bereits: Da folgt nix mehr! Obwohl sich das Coming-Of-Age-Horror-Drama phasenweise wie ein Prolog für ein komplett neues Kapitel anfühlt, ist der durch eine direkt übernommene Szene lose mit „Logan - The Wolverine“ verbundene „The New Mutants“ das endgültige Ende der bisherigen „X-Men“-Saga des mittlerweile von Disney übernommenen Studios Fox.

So muss man fast schon froh sein, dass der Film nach zahlreichen Verzögerungen und Problemen schon weit in der Vorproduktion nun überhaupt noch in die Kinos kommt. Dort ist er nun ein deutlich besserer Endpunkt der Mutantenfilmreihe, als es noch der misslungene „Dark Phoenix“ war – was vor allem an einem starken Cast rund um drei beeindruckende Hauptdarstellerinnen liegt und am Gespür von Regisseur Josh Boone für die Gefühle seiner jungen Figuren. Den oft angekündigten Horror sollte man aber nicht erwarten...

Auf dem Papier war es definitiv eine hervorragende Idee, Josh Boone mit „The New Mutants“ einen sich komplett vom Actionbombast der Hauptreihe abhebenden, ganz eigenen kleineren „X-Men“-Film als Horror-Drama mit jungen Protagonisten machen zu lassen. Der Gruselkost-Liebhaber und „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“-Regisseur scheint die perfekte Wahl, um diese zwei Welten zu vereinen. Und immer wieder ist in „The New Mutants“ zu spüren, dass die Genres so hochklassig hätten verbunden werden können wie im ersten Teil der jüngsten Adaption von „Stephen Kings ES“.

Doch am Ende überzeugt nur die eine Seite. Wie schon in seinen vorherigen Filmen beweist Boone nämlich erneut, dass er die (hier allerdings etwas weniger komplex dargestellten) Gefühlswelten von jungen Menschen auf der großen Leinwand erzählen kann. Wenn sich Dani und Rahne langsam annähern, ist dieses zarte Erwachen der ersten Liebe, sind die Schmetterlinge im Bauch der beiden jungen Frauen förmlich zu spüren. Der Regisseur muss seine Figuren nicht groß sprechen lassen, er findet die richtigen Bilder, eine wunderbar passende musikalische Untermalung und hat vor allem zwei großartige Darstellerinnen.

Insbesondere Maisie Williams beweist (in der Originalfassung mit ungewohntem schottischen Zungenschlag) einmal mehr, dass sie nach ihrem Durchbruch mit „Game Of Thrones“ und dem Ende der gefeierten Fantasy-Saga nicht so schnell wieder von der Bildfläche verschwinden wird. Der aufgrund ihrer Superheldenkräfte nicht unwichtige, mehrfach bemühte Blick in ihre Augen wird von ihr immer mit subtilem Minenspiel begleitet. Ohnehin ist der Cast ein Prunkstück. Anya Taylor-Joy („Emma.“) hat aufgrund ihrer extrovertierten Figur die sicher am stärksten herausstechenden Momente. Daneben meistert die aus der Serie „The Originals“ bekannte Blu Hunt in ihrer allerersten Kinorolle den Identifikationspart.

Durch ihre Augen lernen wir Zuschauer die mysteriöse Einrichtung kennen und fangen an, uns Fragen zu stellen. Was geht hier vor? Welche unterschiedlichen Kräfte haben all die jungen Patienten? Warum scheint Dr. Reyes allein das gesamte Personal zu bilden? Und was ist der wahre Zweck dieser Einrichtung, die ganz sicher keine Nachwuchs-X-Men ausbildet, wie die Jugendlichen anfangs noch spekulieren? Leider kommen auch hier die größten Schwächen ins Spiel. Boone versteht es zu wenig, uns mit diesen Mysterien zu fesseln, zu oft geht er viel zu platt vor.

Das macht sich schon in den Drama-Momenten negativ bemerkbar, wenn die Verschiedenheit und die einzelnen Charakteristika der fünf Jung-Mutanten beim ersten gemeinsamen Auftritt in einer Gruppentherapie ziemlich unelegant mit dem Holzhammer eingebläut werden. Gerade im Horror-Thriller-Teil ist es aber besonders schmerzhaft. Insbesondere ist die Visualisierung der Albträume zu oft zu stumpf auf einen schnellen Schockmoment hin aufgebaut, der dann mangels guter Vorbereitung nicht einmal eintritt. Selbst eine von Schockrocker Marilyn Manson vertonte, als Mischung aus russischem Mafioso und zähnefletschender Monster-Fratze gelungen designte Horror-Gestalt lässt nur erahnen, was hier möglich gewesen wäre.

„The New Mutants“ fehlt so die richtige Spannung. Das mit teilweise nur sehr durchschnittlichem CGI aufwartende Finale ist zudem eher von der Sorte belanglos, sodass selbst die kleineren etwas stärkeren Momente in dem eher uninteressanten Abarbeiten der vollen Präsentation der einzelnen Superkräfte untergehen. Der Showdown wirkt so eher wie eine Pflichtübung, eine Notwendigkeit, die eingebaut werden musste, weil das Publikum bei einer Superhelden-Comic-Verfilmung die große Schlacht am Ende gewöhnt ist. Aber irgendwie ist so ein Finale, das nicht so wirklich zum übrigen Film passen will, dann auch ein passender Abschluss für das „X-Men“-Franchise, bei dem über die Jahre ja auch sehr vieles nicht so richtig zusammenpasste.

Fazit: 

Gelungene Comic-Of-Age-Geschichte trifft lahmen Horrorfilm. Da hätte man aus dem Part des Horrorfilms wesentlich mehr machen können, aber man wollte wohl die Tennie-Fans von Maisie Williams nicht verschrecken. Dennoch bekommt der Film 7,5 von 10 horrorfreie Punkte von uns. (mk)

Mittwoch, 26. August 2020

Tenet

Tenet

Genre: Action, SciFi
Regie: Christopher Nolan
Cast: John David Washington, Kenneth Branagh, Robert Pattinson
Laufzeit: 150 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
Verleih: 
Warner Bros (Universal Pictures)

 

Tenet Film (2020) · Trailer · Kritik · KINO.de
(c) Warner Bros (Universal Pictures)

 



Inhalt:

Ein CIA-Agent (John David Washington) wird nach einem Einsatz bei einem Terroranschlag auf die Kiewer Oper enttarnt und überwältigt. Selbst unter Folter weigert er sich jedoch, seine Kollegen zu verraten und nimmt sich selbst das Leben – oder glaubt das zumindest. In Wahrheit hat er so einen ultimativen Test bestanden und dadurch Zugang zu einer supergeheimen Organisation gewonnen, die versucht den Dritten Weltkrieg zu verhindern. Die Mitarbeiter stoßen immer wieder auf Gegenstände aus der Zukunft, die sich rückwärts in der Zeit bewegen – die sogenannte Inversion. Offenbar handelt es sich dabei um eine Kriegserklärung aus der Zukunft, deren Mittelsmann der russische Waffenhändler Andrei Sator (Kenneth Branagh) ist. Gemeinsam mit seinem neuen Partner Neil (Robert Pattinson) versucht der Protagonist, Zugang zu Sator zu erhalten und den Krieg der Zeiten zu verhindern. Eine Möglichkeit scheint Sators Ehefrau Kat (Elizabeth Debicki) zu sein...

Bewertung:

Nach der Entscheidung, „Mulan“ direkt auf Disney+ auszuspielen, ist dies nun also der Film, der ganz allein das Kino retten soll. Keine leichte Aufgabe. Aber leicht hat es sich Christopher Nolan bei seinem elften Spielfilm ohnehin nicht gemacht. Der Plot von „Tenet“ ist ein vielfach verschachteltes Rätsel – und die grundlegende Prämisse, dass sich Dinge durch die sogenannte Inversion auch rückwärts durch die Zeit bewegen können, führt zu einigen der spektakulärsten, aber eben auch komplexesten (Action-)Choreographien, die es jemals auf der großen Leinwand zu bestaunen gab.

Nun sollte man – nicht mal als Kritiker – so tun, als hätte man bereits nach dem ersten Ansehen jeden Aspekt des Films vollständig durchdrungen. Gerade im bombastischen Finale geschehen so viele Dinge vorwärts und rückwärts und doch gleichzeitig, dass wohl selbst der Begriff Mindfuck, mit dem die Filme von Christopher Nolan bereits seit „Memento“ immer wieder beschrieben werden, noch eine Untertreibung wäre. Aber seit „Mad Max: Fury Road“ haben einen Actionszenen im Kino eben auch nicht mehr derart weggepustet wie nun bei „Tenet“ – und deshalb ist es auch alles andere als eine Bürde, sich den Film ein zweites oder drittes Mal anzusehen.

Heute gibt es maximal noch eine Handvoll Regisseure, deren Name allein einen Film nicht nur für versierte Kinokenner, sondern auch für das breite Publikum zu einem Ereignis macht: Noch vor Quentin Tarantino und Steven Spielberg steht Christopher Nolan ganz oben auf dieser Liste!

Das ist durchaus überraschend: Schließlich ist das „The Dark Knight“-Mastermind im Herzen ein Philosoph, der über die Natur der Zeit nachdenkt – nur dass er seine Erkenntnisse eben nicht in trockenen akademischen Schriften, sondern in oft atemberaubenden Leinwand-Blockbustern verarbeitet. „Tenet“ ist nun gleich in mehrfacher Hinsicht der Höhepunkt dieser Beschäftigung mit der Wahrnehmung von Zeit, die sich wie ein roter Faden durch das Werk des Regisseurs und Drehbuchautors zieht.

In „Memento“ kann sich Leonard Shelby (Guy Pearce) nach dem Verlust seines Kurzzeitgedächtnisses immer nur an die vergangenen fünf Minuten erinnern, während die Zeit für die Protagonisten in „Inception“ und „Interstellar“ aufgrund von Traumebenen bzw. Gravitationen unterschiedlich schnell vergeht. Selbst in sein Kriegs-Epos „Dunkirk“ hat Christopher Nolan sein Lieblingsthema hineingeschmuggelt, wenn sich Bodentruppen, Boote und Flugzeuge auf verschieden langen Zeitstrahlen durch die Handlung bewegen. Aber mit „Tenet“ geht er jetzt eben nicht nur einen, sondern gleich ein paar Schritte weiter…

Die Idee, dass sich nur einzelne Gegenstände oder Personen rückwärts in der Zeit bewegen, während der Rest der Welt seine gewohnte Richtung beibehält, ist derart faszinierend, dass man sich nur deshalb nicht sofort in seinen eigenen physikalisch-philosophischen Überlegungen verliert, weil einen der treibende Score von Ludwig Göransson („Black Panther“), die bildgewaltigen Einstellungen von Hoyte Van Hoytema („Spectre“) sowie die nie gesehenen Action-Choreographien zweieinhalb Stunden lang ohnehin kaum zum Luftholen kommen lassen. Dabei kommt dann auch eine weitere ganz zentrale Stärke von Christopher Nolan zum Tragen:

Gerade in der ersten Hälfte, wenn der Protagonist erst einmal alle möglichen Kontakte trifft (irgendwo muss man Michael Caine ja unterbringen) und dabei auch schon mal auf kühl-selbstsichere Art flirtet, erinnert „Tenet“ in gewisser Weise an ein James-Bond-Abenteuer (und ja, John David Washington wäre ein grandioser Nachfolger für Daniel Craig, nur ist er eben leider kein Brite).

Während man bei 007-Blockbustern aber oft das Gefühl bekommen kann, dass die Handlung und die zentralen Set-Pieces eigentlich unabhängig voneinander entwickelt und erst am Ende zusammengesteckt werden, folgen die Action und die unvergesslichen Bilder bei Christopher Nolan in aller Regel direkt aus der Prämisse (bestes Beispiel: das sich faltende Paris in „Inception“). Diese Aussage war nie wahrer als im Fall von „Tenet“.

Bei einer plötzlich losbrechenden Prügelei spürt man sofort, dass hier irgendetwas nicht stimmt – es fehlt die Präzision, die man bei Kampfszenen in Filmen dieser Größenordnung gewohnt ist. Das wirkt alles ein wenig „durcheinander“ und „unabgestimmt“. Erst nach und nach versteht man, dass einer der Kontrahenten sich während der Schlägerei offenbar rückwärts durch die Zeit bewegt – und so entsteht ein Effekt, der unsere Sehgewohnheiten sprengt und selbst erfahrenen Kinogängern ein Stück weit den Teppich unter dem Boden wegzieht. Eine schon in dieser kleinen Dosis absolut faszinierende Erfahrung, die sich im weiteren Verlauf des Films noch um ein Vielfaches potenziert.

Man mag sich kaum ausmalen, wie viel Planung in diese Szenen geflossen sein muss – gerade weil so gut wie nichts in „Tenet“ am Computer entstanden ist. Man kann sich sogar gut vorstellen, dass Christopher Nolan und seine Choreographen eine eigene Sprache entwickeln mussten, um überhaupt mit der nötigen Präzision und ohne ständige Missverständnisse über das sprechen zu können, was da gerade im Finale alles abläuft. (Man verzeiht deshalb auch gerne, dass der Showdown an einem ziemlich unspektakulären Ort zwischen grau-braunen Ruinen stattfindet – woanders hätte das alles wohl selbst ein Christopher Nolan nicht drehen können.)

Nolan ist ein sehr funktional denkender Filmemacher – und das gilt auch für seinen Umgang mit seinen Figuren, die deshalb oft etwas kalt, ganz selten sogar leblos wirken. Aber in dieser Hinsicht greifen ihm auch bei „Tenet“ seine einmal mehr durch die Bank hochkarätigen Darsteller unter die Arme:

Der Protagonist hat nicht einmal einen Namen – und trotzdem verleiht ihm John David Washington eine unglaubliche Präsenz. Wenn nach „BlacKkKlansman“ noch Zweifel bestanden haben sollten, dass der 36-Jährige wie sein Vater Denzel Washington das Zeug zum Hollywood-Superstar hat, sollten diese nach „Tenet“ wohl endgültig beseitigt sein. An seiner Seite brilliert Robert Pattinson als undurchsichtiger, aber schlagfertiger und supersympathischer Sidekick mit Ernest-Hemingway-Anklängen, bevor der Ex-„Twilight“-Beau dann als nächstes in „The Batman“ seinen eigenen Action-Blockbuster anführt.

Elizabeth Debicki (spielt in der nächsten Staffel „The Crown“ Prinzessin Diana) gibt unterdessen die Art von Bond-Girl, von der wir auch bei 007 gern mehr sehen würden – unfassbar elegant und sexy, aber ambivalent und bis zum Schluss mit eigener, rachegetriebener Agenda.

Am meisten Sorgen haben wir uns vorab ehrlich gesagt um Kenneth Branagh gemacht, denn auch wenn er fraglos ein großer Schauspieler ist, hat er 2014 in „Jack Ryan: Shadow Recruit“ schon einmal einen russischen Superverbrecher verkörpert, ohne dabei auch nur das kleinste bisschen Eindruck zu hinterlassen. Aber keine Sorge: Als egomaner Plutoniumsammler kann man diesmal selbst im Kinosaal regelrecht Angst vor ihm bekommen.

Am Ende gibt es natürlich noch mal ein paar Wendungen und Twists, bei denen man vermutlich extrem dicke Doktorarbeiten darüber schreiben könnte, ob sie nun rein logisch Sinn ergeben oder nicht (und man kann sich sicher sein, dass es in den kommenden Wochen zumindest lange Essays geben wird, die genau diese Fragen behandeln und die ich aus ehrlichem Interesse gerne lesen werde).

Aber bis es so weit ist, sollte man – zumindest beim ersten Sehen – einfach das rauschhafte Leinwandspektakel über sich hinwegfegen lassen, das Christopher Nolan hier 150 Minuten lang fast ohne Unterlass abfackelt. Selbst einfache „Meetings“, wie es sie in Agentenfilmen eben zuhauf gibt, werden in seinen Händen zum visuellen Schmaus, etwa durch einen auch ohne Inversion „umgekehrten“ Bungeesprung oder den Schnitt zum Bug eines invertiert durchs Meer gleitenden Schiffes, dessen Wasserbrechung auf faszinierende Weise verstört.

Wie sagt Wissenschaftlerin Barbara doch bei ihrer Erklärung der Inversion zum Protagonisten: „Versuchen Sie nicht, es zu verstehen, fühlen Sie es.“


Fazit: 

Ein visuell rauschhaftes und konzeptionell bahnbrechendes Science-Fiction-Action-Meisterwerk – auf einem Level mit „Inception“! Völlig berauscht von all den visuellen Eindrücken und geschichtlichen Verwirrungen vergeben wir 9,5 von 10 Punkte. (mk)

 

Donnerstag, 20. August 2020

Tesla

Tesla

Genre: Drama, Biografie
Regie: Michael Almereyda
Cast: Ethan Hawke, Kyle MacLachlan, Eve Hewson
Laufzeit: 102 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
Verleih: 
LEONINE

 

Tesla (2020 film) - Wikipedia
(c) LEONINE

 

 
Inhalt:

Der serbokroatische Einwanderer Nikola Tesla (Ethan Hawke) arbeitet seit einiger Zeit in Thomas Edisons (Kyle MacLachlan) Electric Light Company als Ingenieur. Er ist ein vielversprechendes Talent – nur vielleicht ein bisschen zu überambitioniert. Zwischen den beiden Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, kommt es zum Bruch, weshalb sich Tesla an den Industriemagnaten George Westinghouse (Jim Gaffigan) wendet, der ihm die Arbeit an seinem bahnbrechenden Stromsystem weiterfinanzieren soll. Der Immigrant hat aber noch ein anderes Projekt, das vom Bankier J. P. Morgan (Donnie Keshawarz) unterstützt wird. Bei der Arbeit daran begegnet der Erfinder Anne (Eve Hewson), der Tochter von Morgan. Diese schicksalhafte Begegnung stellt Nikola vor die Wahl: Soll er sich der Liebe seines Lebens hingeben oder sich voll und ganz seiner Arbeit widmen?

Bewertung:

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Kinostarts von Alfonso Gomez-Rejons „Edison - Ein Leben voller Licht“ und Michael Almereydas „Tesla“ in Deutschland gerade mal vier Wochen auseinanderliegen. Schließlich waren die beiden Titelfiguren schon vor mehr als 125 Jahren erbitterte Konkurrenten, als in den USA die Entscheidung anstand, ob man die Nation nun mit dem sicheren, aber vor allem über Entfernungen nicht so leistungsstarken Gleichstrom (= Team Edison) oder doch lieber dem risikoreicheren, zugleich aber auch so viel wirkmächtigeren Wechselstrom (= Team Tesla) elektrisieren sollte. Der Originaltitel von „Edison - Ein Leben voller Licht“, in dem Thomas Edison von Benedict Cumberbatch und Nikola Tesla von Nicholas Hoult verkörpert wird, lautet deshalb auch „The Current War“. Diesen Krieg der Spannungen gewann Tesla damals.

Und um das gleich mal vorwegzunehmen: Das Duell der Filme über den Spannungskrieg, die in Deutschland übrigens beide vom selben Verleih in die Kinos gebracht werden, hat denselben Sieger! Haben wir bei dem eher piefigen Historien-Biopic „Edison - Ein Leben voller Licht“ noch das Fazit gezogen, dass „der Funke einfach nicht überspringt“, erweist sich „Tesla“ als faszinierendes, formal erfindungsreiches, wenn womöglich auch ein wenig verkopftes Leinwandexperiment. Während die historischen Abläufe oft einfach nur von der Ich-Erzählerin beigesteuert werden, interessiert sich Michael Almereyda, der hier nach 20 Jahren erneut seine „Hamlet“-Konkurrenten Ethan Hawke und Kyle MacLachlan aufeinanderprallen lässt, offensichtlich vielmehr für die psychologischen, philosophischen und auch ästhetischen Aspekte der Geschichte.

Als Ich-Erzählerin fungiert Anne Morgan, die idealistische Tochter von J.P. Morgan, dem damals einflussreichsten Privatbanker der Welt. Sie war mit Tesla befreundet und wollte wohl auch mehr von ihm als das – ist jedoch nie wirklich zu ihm durchgedrungen. Genau wie der Zuschauer, der ebenfalls nur ahnen kann, was im Kopf und damit in der ganz eigenen Gedankenwelt des genialen Erfinders vor sich gehen mag. Anne Morgan, die passenderweise von Eve Hewson verkörpert wird, deren Vater Bono einen Großteil seines 700-Millionen-Dollar-Vermögens ja ebenfalls nicht mit der Musik, sondern mit Aktien und Beteiligungen verdient hat, durchbricht bei ihren Berichten immer wieder die vierte Wand.

So steht sie auf einmal neben einem Apple-Laptop, auf dem sie die Protagonisten der Geschichte googelt – und vor allem die Zahl der Treffer miteinander vergleicht. Edison hat trotz seiner Niederlage im Spannungskrieg fast doppelt so viele wie sein Konkurrent. Zudem gibt es von Tesla nur vier Fotografien, die sich – mitunter in leicht abgewandelter Form – im Netz finden. Im Gegensatz zum Selbstdarsteller Edison war Tesla ein eigenbrötlerisches Genie – und deshalb passt zu ihm eben auch ein solch assoziativer Erzählansatz, wie ihn Michael Almereyda in „Tesla“ verfolgt: Mehr als eine Annäherung scheint schließlich sowieso nicht möglich. Aber Spaß kann man mitunter trotztdem haben: Etwa in einer fiktiven Szene, die von Anne auch direkt als eine solche enthüllt wird und in der sich Tesla und Edison gegenseitig ein Softeis ins Gesicht drücken.

In „Marie Curie - Elemente des Lebens“, einem weiteren historischen Wissenschafts-Biopic, das dieser Wochen in den deutschen Kinos angelaufen ist, gibt es immer wieder Einschübe, in denen gezeigt wird, wohin die Entdeckungen der Protagonistin in den kommenden Jahren geführt haben werden – wie sehen einen kleinen Jungen, der dank einer Strahlentherapie vom Krebs geheilt wird, und wir sehen den Bombenabwurf auf Hiroshima.

Auch in „Tesla“ gibt es solche Vorausahnungen – aber sie werden viel subtiler präsentiert: Wenn Edinson in einer Szene plötzlich sein Handy hervorholt und durch seine Nachrichten swiped, dann geschieht das dermaßen beiläufig, dass man den Anachronismus fast übersieht. Noch mehr gilt das für das Blitzlichtgewitter, das losbricht, als die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt (Rebecca Dayan), der wohl erste wirkliche Weltstar der Geschichte, einen roten Teppich entlangschreitet.

In „Tesla“ finden viele Szenen auf einer Bühne statt – mit projizierten Bildern im Hintergrund. So hält Tesla etwa einem projizierten Fohlen einen Apfel hin. Die Weltausstellung 1893, in „Edison – Ein Leben voller Licht“ noch der Ausstattungs-Höhepunkt des Films, wird hier von Anne Morgan in Form eines Diavortrags abgehandelt. Es lässt sich von außen schwer sagen, was zuerst da war – das ästhetische Konzept oder das limitierte Budget, das den inszenatorischen Einfallsreichtum notwendig werden ließ. Aber wie dem auch sei: „Tesla“ ist in seiner betont limitierten Form inszenatorisch sehr viel aufregender als der blinde Ausstattungs-Wahn im Konkurrenzfilm.

Nur gelegentlich scheint man dabei wirklich nahe an Nikolas Tesla heranzukommen. Etwa gleich zu Beginn beim Rollschuhfahren, wenn Anne Morgan aus dem Off die Geschichte beisteuert, wie Tesla als kleines Kind seine Katze gestreichelt und dabei zum ersten Mal das Konzept der Elektrizität durchdrungen hat. Oder ganz am Ende, wenn der längst mittellose Tesla aschfahl und bettelnd vor einem umzäunten Tennisplatz steht – nicht einmal die mächtigsten Ideen der Welt vermögen es, etwas gegen den eiskalten Kapitalismus auszurichten. Eine Erkenntnis, die Ethan Hawke mit einer tragischen, einmal mehr die vierte Wand durchbrechenden Performance des Tears-For-Fears-Songs „Everybody Wants To Rule The World“ krönt. Ein zutiefst berührender Moment, der vor allem deshalb so einschlägt, weil sich „Tesla“ bis dahin fast ausschließlich auf einer intellektuellen und ästhetischen Ebene ausgetobt hat.

Fazit: 

Ein Leinwandexperiment, das sich Nikola Tesla auf eine Art nähert, die dem introvertierten Genie angemessen ist: erfindungsreich, herausfordernd und durchaus auch ein wenig verkopft. Ungeachtet dessen vergeben wir erleuchtende 7,5 von 10 Punkte. (mk)

 

Donnerstag, 6. August 2020

IRRESISTIBLE - UNWIDERSTEHLICH

IRRESISTIBLE - UNWIDERSTEHLICH

Genre: Drama, Komödie
Regie: Jon Stewart
Cast: Steve Carell, Rose Byrne, Chris Cooper
Laufzeit: 103 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
Verleih: 
Universal Pictures International

 

Poster zum Irresistible - Unwiderstehlich - Bild 8 auf 15 - FILMSTARTS.de
(c) Universal Pictures International

 



Inhalt:

Als der Top-Stratege des demokratischen Nationalkomitees, Gary Zimmer (Steve Carell), ein Video sieht, in dem der pensionierte Marine-Oberst Jack Hastings (Chris Cooper) für die Rechte der undokumentierten Arbeiter seiner Stadt eintritt, glaubt er, den Schlüssel gefunden zu haben, um die Wähler im Herzen Amerikas zurückzugewinnen. Bei einem außerplanmäßigen Besuch auf Hastings' Milchviehbetrieb im ländlichen Deerlaken, Wisconsin, überzeugt Gary den unpolitischen Marine im Ruhestand davon, für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren. Zunächst verlässt sich Gary auf Jacks sehr fähige Tochter Diana (Mackenzie Davis) und ein Team von enthusiastischen, wenn auch unerfahrenen Freiwilligen. Als das republikanische Nationalkomitee ihm jedoch entgegentritt, indem es seine brillante Nemesis Faith Brewster (Rose Byrne) schickt, ist Gary mehr als bereit, sein Spiel zu verbessern. Während Gary und Faith sich die Waage halten, eskaliert das, was als lokales Rennen begann, schnell zu einem nationalen politischen Kampf um die Seele Amerikas.


Bewertung:

Aus dem Stoff hätte man – gerade in Anbetracht des aktuellen Zustands des politischen Diskurses in den USA – leicht eine ätzende Satire machen können. Aber Jon Stewart hält sich mit Tiefschlägen zurück und liefert stattdessen eine gefällige Komödie in der Großstädter-auf-dem-Land-Tradition von „Doc Hollywood“, in dem es einst Michael J. Fox als Arzt-Hot-Shot in ein verschlafenes Kleinstadt-Krankenhaus verschlug. In „Irresistible“ wird der Superzyniker Garry nun derartig freundlich empfangen, dass er kaum noch Worte (außer einem ständigen „fuck“) dafür findet.

Angereichert wird die Fisch-aus-dem-Wasser-Komödie mit treffsicheren Beobachtungen, die vor allem die Mechanismen des Politbetriebs und die kollaborierende Rolle der Medien entlarven. So stellen etwa die Moderatoren einer rechtslehnenden „News“-Show die Frage: Schwächt die Kandidatur eines Veteranen als Demokrat die Moral der Truppe? Die Antwort eines der elitären Hosts beginnt mit den entlarvenden Worten: „Wenn ich gedient hätte, dann...“ Zugleich kriegt die demokratische Elite in New York genauso ihr Fett weg, wenn Jack in einem Penthouse in Manhattan den reichen Gastgebern wie ein exotisches Zirkustier vorgeführt wird, um möglichst viele Spenden für den Wahlkampf abzusahnen.

Besonders schön sind auch einige der Gags, mit denen die hochtechnologisierten Wahlkampfmethoden durch den Kakao gezogen werden – so beginnt das Duell zwischen Garry und seiner ständigen republikanischen Rivalin Faith Brewster (Rose Byrne) erst einmal mit dem Kampf um das beste WiFi. Und nachdem Datenexpertin Tina (Natasha Lyonne) per Online-Analyse herausfindet, dass ein Wohnblock mit überwiegend Single-Frauen mittleren Alters bevölkert ist, werden sofort die Pamphlete mit dem politischen Vorschlag für „Kostenlose Empfängnisverhütung“ verschickt – nur um dann festzustellen, dass es sich bei dem „Wohnblock“ in Wahrheit um ein Nonnenkloster handelt.

Es gibt aber auch Momente, in denen man Jon Stewart eine Doppelmoral vorwerfen könnte – zum Beispiel inszeniert er den ersten Blick zwischen Garry und Jacks halb so alter Tochter Diana (Mackenzie Davis) genau so, wie man es von solchen Komödien gewohnt ist. Dem Zuschauer ist sofort klar: Die beiden werden am Ende bestimmt zusammenkommen. Also ist selbst ein Jon Stewart nicht vor dem Alter-weißer-Mann-sahnt-natürlich-die-junge-schöne-Frau-ab-Klischee gefeit? Pustekuchen! „Irresistible“ überrascht noch auf der Zielgeraden mit einem monumentalen Twist, der all diese Dinge aufgreift und auf den Kopf stellt. Aber dass Jon Stewart ein cleveres Kerlchen ist, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten, der jemals einige Folgen seiner „Today Show“ gesehen hat.

Fazit:

„Irresistible - Unwiderstehlich“ ist eine gutgelaunte, fast schon fröhliche Politsatire – und das ist in der heutigen Zeit ja vielleicht die größte Provokation. Selbst der große Twist ist verdammt sympathisch. Gelaut vergeben wir 8 von 10 Punkte für eine erneute Stece Carell Glanzleistung. (mk)


Donnerstag, 30. Juli 2020

LUCY IN THE SKY


LUCY IN THE SKY


Genre: Drama, SciFi
Regie: Noah Hawley
Cast: Natalie Portmann, Jon Hamm, Zazie Beetz
Laufzeit: 125 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
Verleih: 
Walt Disney Germany

 

Lionbeen Lucy In The Sky - Movie Poster - Filmplakat 70 X 45 cm. (NOT A  DVD): Amazon.de: Küche & Haushalt
(c) Walt Disney Germany

 

Inhalt:

Nach einer erfolgreichen Weltraum-Mission kehrt die junge Astronautin Lucy Cola (Natalie Portman) auf die Erde zurück. Doch seit sie die unendlichen Weiten des Alls mit all seiner Pracht bereist hat, ist sie verändert und beginnt, die Realität auf der Erde nicht mehr als solche wahrzunehmen. Sie fühlt sich ihrem eigenen, irdischen Leben und insbesondere ihrem Ehemann Drew (Dan Stevens) entrückt und leidet höchstwahrscheinlich an posttraumatischen Belastungsstörungen, weshalb sie sich in psychiatrische Hilfe begibt. Um aus ihrem tiefen Loch wieder herauszukommen, beginnt Lucy eine Affäre mit dem NASA-Kollegen Mark Goodwin (Jon Hamm), der sie, ihre Erfahrungen und ihre Probleme besser zu verstehen scheint. Doch als eine Konkurrentin um sein Herz auftaucht, übernimmt die Eifersucht Lucys ohnehin schon angeschlagenen Verstand.



Bewertung:

Die Astronautin lächelt versonnen, als sie bei ihrem Spacewalk fast frei im Weltraum schwebt, nur mit einem langen Kabel am Shuttle vertäut. Nachdem sie von ihren Kollegen wieder reingezogen wurde, ist das Strahlen allerdings verschwunden. Teilnahmslos sitzt sie in ihrem Sessel, während das Raumschiff in die Atmosphäre eintritt und zur Landung ansetzt. Ihr nach der Rückkehr auf die Erde häufig eintretender emotionaler Nullzustand wird mit Hilfe meditativ anmutender Bilder von Kamerafrau Polly Morgan („A Quiet Place 2“), dem sphärischen Score von Jeff Russo („Mile 22“) sowie ein paar melancholisch-verträumten Popsongs zunächst noch effektiv illustriert.

Eine weitere wichtige Rolle spielt in diesen Situationen der Sound. Ein gutes Beispiel dafür ist die Szene, in der Lucy auf für sie schmerzhaft-peinliche Art von Marks Beziehung mit der von „Joker“-Co-Star Zazie Beetz verkörperten Erin erfährt. Das alles ist zusätzlich stressig für die junge Frau, weil sie bei ihrer ersten Begegnung dachte, dass Erin für sie eine Freundin, eine Schwester im Geiste werden könnte. Als sie dann aber realisiert, dass ihr Erin nicht nur den Liebhaber, sondern auch den Platz auf der so verzweifelt angestrebten Mission streitig machen könnte, bricht für Lucy eine Welt zusammen. Exakt hier ändern Regisseur Noah Hawley und Sound-Editor Justin M. Davey („A Quiet Place“) den regulären Klang in ein dumpfes, statisches Brummen, das die Stimmen und Umgebungsgeräusche nur entfernt wahrnehmbar macht.

Zudem lässt Hawley sein Publikum auch visuell zumindest ansatzweise mitfühlen, wie beengt, fast schon erdrückend Lucy ihren Alltag auf der Erde wahrnimmt: So ändert er etwa das Seitenverhältnis der Bilder, wenn sie auf die Erde zurückkommt. Aus dem ausladendem Cinemascope-Format (2.39:1) bei den visuell ein wenig an „Gravity“ erinnernden Weltraum-Sequenzen werden auf der Erde fast quadratische Bilder im 1.33:1-Verhältnis. Beim Astronauten-Training ist das Format dann zwischendurch schon wieder deutlich breiter (1.85:1), denn Lucy nähert sich spür- und sichtbar ihrem Element. Das ist ein simpler, zumindest am Anfang des Films noch gut funktionierender Trick, um den Zuschauer in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistin hineinzuziehen. Im späteren Verlauf beginnt das ständige Hin und Her der Formate, das Rauf und Runter der Geräuschkulisse dann jedoch zu nerven, auch weil das Konzept von Hawley & Co. nicht mehr stringent beibehalten wird. Selbst wenn es die Absicht war, so Lucys zunehmende Irrationalität in der zweiten Hälfte zu verdeutlichen, gelingt die Umsetzung nicht. Das Ganze wirkt eher zufällig und ist selbst mit gutem Willen irgendwann kaum mehr nachvollziehbar.

Dazu kommen immer evidenter werdende Drehbuchschwächen. Der früh absehbare Verlauf der Handlung wird durch aufdringliche Symbolik nicht interessanter. Zumal diese sehr klischeehaft daherkommt, etwa mit aus ihrem Kokon schlüpfenden Schmetterlingen als Bild der Selbstfindung oder einer startenden Rakete, die parallel zu Lucys Orgasmus beim Oralsex mit Mark geschnitten ist. Zu allem Überfluss ist das Story-Finale alles andere als befriedigend. Anstelle eines echten Höhepunkts kullert der so lange aufgebaute Moment einfach mäandernd in einer erzählerischen Sackgasse aus. Das Ende kann auch durch den wenig Sinn ergebenden Epilog, der sich ohnehin anfühlt, als würde er aus einem ganz anderen Film stammen, nicht mehr gerettet werden.


Schauspielerischen Enthusiasmus kann man Natalie Portman derweil nicht absprechen. In den intensiveren Szenen, wenn ihre Figur sich entschlossen hat, gegen die von ihr als Ungerechtigkeit oder gar als Verschwörung empfundene Situation am Arbeitsplatz und im Privaten anzukämpfen, setzt sie den starren Blick auf, den ihre Fans zuletzt aus ähnlich gearteten Bedrängungsszenarien wie „Vox Lux“ oder „Auslöschung“ kennen. Da fühlt man sich auch als Zuschauer so, als wolle man ihr in diesen Momenten vielleicht lieber nicht in die Quere kommen. Für Irritation sorgt dagegen ihr im Originalton ziemlich aufgesetzt und bemüht wirkender texanischer Akzent. Lucys geografische Herkunft spielt keinerlei Rolle und niemand anderes im Film spricht mit einem solch aufdringlichen Dialekt. Da wurde womöglich etwas zu sehr in Richtung Filmpreise geschielt.

Auch weitere Rollen sind namhaft besetzt. Doch die größeren Nebenfiguren wie Ehemann Drew, Nichte Iris oder Liebhaber Mark sind einfach zu schwach und eindimensional gezeichnet, um beim Zuschauer bleibenden Eindruck zu hinterlassen oder gar Emotionen zu erzeugen. Andere Parts zeigen da schon mehr Potenzial: Rivalin Erin, Lucys exzentrische Großmutter (Ellen Burstyn) oder der besorgte NASA-Psychiater bekommen allerdings viel zu wenig zu tun, um das Ruder noch rumzureißen. So schwebt der Zuschauer schon bald ebenso distanziert, gelangweilt und desinteressiert durch die sich mehr und mehr in die Länge ziehenden zwei Stunden, wie es die Hauptfigur nach ihrer Rückkehr auf die Erde ebenfalls tut…

Fazit:

Ein technisch einfallsreich sowie erzählerisch starker Beginn verspricht deutlich mehr, als das zunehmend immer fahriger wirkende und mit einer schwächelnden Story sowie allzu dünner Charakterzeichnung geschlagene Astronautinnen-Drama letztlich halten kann. Dafür können wir dann auch nur sternenlose 2 von 10 Punkte vergeben. (mk)


Donnerstag, 23. Juli 2020

EDISON - EIN LEBEN VOLLER LICHT


EDISON - EIN LEBEN VOLLER LICHT


Genre: Drama, Historie, Biografie
Regie: Alfonso Gomez-Rejon
Cast: Benedict CumberbatchMichael ShannonNicholas Hoult
Laufzeit: 104 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
Verleih: Concorde Filmverleih


Poster zum Edison - Ein Leben voller Licht - Bild 35 auf 42 - FILMSTARTS.de
(c) Concorde Filmverleih

 

Inhalt:

1880: Thomas Edison (Benedict Cumberbatch) hat die Tests tausender Designs hinter sich, als er endlich weiß, wie er eine marktfähige Glühbirne herstellen kann. Während Edison die finanzielle Unterstützung durch J.P. Morgan (Matthew Macfadyen) sichert, um fünf Blocks in Manhattan mit elektrischem Licht zu versorgen, erkennt George Westinghouse (Michael Shannon) die Grenzen der neuen Technologie. Der Geschäftsmann aus Pittsburgh arbeitet mit Wechsel- statt mit Gleichspannung und übernimmt einige von Edisons Entdeckungen. Ein Wettkampf spitzt sich zu: Auf der einen Seite der bescheidene, öffentlichkeitsscheue Westinghouse, der seiner Frau Marguerite Westinghouse (Katherine Waterston) treu ergeben ist – auf der anderen Seite Edison, der sich für ein Genie hält, die Anerkennung für seine Arbeit nicht teilen will und seine Frau Mary Edison (Tuppence Middleton) nebst den Kindern vernachlässigt…


Bewertung: 

Eigentlich sollte das im Winter 2016/17 gedrehte Historien-Drama „Edison – Ein Leben voller Licht“ bereits Ende 2017 groß in den US-Kinos und bald darauf auch im Rest der Welt anlaufen. Aber kurz nach der Premiere beim Toronto International Film Festival wurde die Arbeit von Regisseur Alfonso Gomez-Rejon („Ich und Earl und das Mädchen“) Opfer des Skandals um Harvey Weinstein, dem Boss des zuständigen US-Verleihs TWC (The Weinstein Company). Erst zwei Jahre später kam der Film dann doch noch auf die nordamerikanischen Leinwände und floppte spektakulär. Dabei war das Werk ursprünglich als aussichtsreicher Oscar-Kandidat gehandelt und vermarktet worden. Und schaut man sich die prominenten Namen auf der Besetzungsliste sowie der talentierten Crew-Mitglieder an, schien die eine oder andere Nominierung im Vorfeld ja tatsächlich nicht abwegig.

Gomez-Rejon nutzte die lange Wartezeit bis zum Kinostart, um mit finanzieller Hilfe des ausführenden Produzenten Martin Scorsese endlich die Post-Produktion (inklusive eines kompletten neuen Musik-Scores) zu finalisieren und den Film noch einmal um zehn Minuten zu kürzen. Zudem drehte er einen Tag lang zusätzliche Szenen mit Benedict Cumberbatch, Nicholas Hoult und Tuppence Middleton nach, um deren Charakteren mehr Tiefe zu geben. Darüber, inwieweit der Film dadurch tatsächlich verbessert wurde, kann an dieser Stelle allerdings nur spekuliert werden, denn die Besprechung basiert lediglich auf dem so entstandenen „Director’s Cut“, wie er auch in die deutschen Kinos kommt – und der kann auch in der noch einmal überarbeiteten Fassung kaum überzeugen.

Der deutsche Verleihtitel „Edison – Ein Leben voller Licht“ ist unglücklich gewählt. Er suggeriert ein Biopic über den Erfinder und Unternehmer sowie einstigen Halter von über tausend Patenten, was aber einfach nicht geboten wird. Freilich ist der Name Edison hierzulande deutlich bekannter als der von Westinghouse. Trotzdem sind die Figuren im Film gleichwertig, was ihre Präsenz und ihre Zeit auf der Leinwand angeht. Die Sympathien des Publikums dürften sich über weite Strecken ebenfalls halbwegs die Waage halten. Charakterlich kommt Westinghouse am Ende vielleicht sogar einen Tick besser weg. Außerdem erstreckt sich die Handlung nur über einen Zeitraum von 13 Jahren. Von einem klassischen Biopic kann also wahrlich nicht die Rede sein.


Der deutsche Titel ist allerdings längst nicht das größte Problem von „Edison – Ein Leben voller Licht“, der in der englischsprachigen Welt als „The Current War“ präsentiert wird, was sich in etwa mit „Der Stromkrieg“ übersetzten ließe. Es ist vielmehr die Umsetzung der Geschichte, die – um es mal ganz platt zu sagen – einfach viel zu langweilig ist. Der Wettlauf der Geschäftemacher Edison und Westinghouse mag historisch bedeutend gewesen und auf dem Papier beziehungsweise im Wikipedia-Eintrag auch einigermaßen vielschichtig und ansatzweise spannend anmuten. Von Alfonso Gomez-Rejon verfilmt wirkt er allerdings ziemlich träge, weil einfach nicht genügend aufregende Dinge passieren und die zentralen Kontrahenten nahezu die gesamte Laufzeit über räumlich voneinander getrennt sind. Wie abwechslungsreich und mitreißend könnte man auch die immer gleichen Verkaufsgespräche mit Würdenträgern dutzender Städte mit „Meine Art von Strom ist sicherer“ gegen „Meine Art von Strom ist aber viel billiger“ umsetzen?

Diesen Umstand scheinen – zumindest insgeheim – auch Gomez-Rejon und sein Drehbuchautor Michael Mitnick selbst ein Stück weit realisiert zu haben. Schließlich haben sie eine Vielzahl von Nebenhandlungen eingebaut. Dabei gibt es einige schöne Szenen zu entdecken: Etwa Edisons verspielte Morsezeichen-Kommunikation mit seinem kleinen Sohn (Woody Norman) mitten in einem ansonsten eher unwichtigen Business-Meeting, die im späteren Verlauf, in einem besonders traurigen Moment, auf emotionale Weise wieder erneut aufgegriffen wird. Auch Westinghouses wiederkehrende, mentale Flashbacks in seine Zeit als Soldat im Sezessionskrieg sind kompetent umgesetzt, für den Fluss der Story aber eher irrelevant und verlangsamen ihn sogar noch mehr. Ein weiteres Beispiel ist die viel zu viel Raum einnehmende Erfindung und Konstruktion des elektrischen Stuhls plus die Schilderung seines ersten, alles andere als reibungslos vonstattengehenden Einsatzes.

All diese (und weitere!) Episoden sind für sich durchaus erzählenswert, machen das Gesamtwerk aber nie wirklich besser. Was nicht heißt, dass es überhaupt keinen Spaß machen würde, „Edison – Ein Leben voller Licht“ anzuschauen. Neben den engagiert aufspielenden Stars, zu denen auch die vom Skript vergleichsweise stiefmütterlich behandelten Nicholas Hoult („Tolkien“) und Tom Holland („Spider-Man: Far From Home“) sowie die als Ehefrauen der Protagonisten agierenden Katherine Waterston („Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“) und Tuppence Middleton („Sense8“) zählen, ist die Optik wirklich bemerkenswert: Kostüme, Kulissen und die während Eisenbahnfahrten, zur Darstellung der gigantischen Westinghouse-Fabrikhallen, ganzer Straßenzüge oder der legendären Illumination der Weltausstellung von 1893 in Chicago zum Einsatz kommenden CGI-Effekte sind größtenteils mehr als ansehnlich.

Dazu kommen die oft sehr nah dran gehenden, meist ausgesprochen ästhetischen Aufnahmen. Chef-Kameramann Chung-hoon Chung tobt sich hier richtig aus und findet jede Menge ungewöhnliche Einstellungen, indem er etwa mit Blendenflecken, schnellen Schwenks und Zooms oder einer Fischaugenlinse arbeitet, plötzlich den Winkel ankippt und so überraschende Vogelperspektiven bietet. Doch selbst diese Spielereien wirken irgendwann so, als ob sie nur integriert worden wären, um das von ihnen gezeigte, eher träge dahinplätschernde Geschehen aufzupeppen beziehungsweise von ihm abzulenken. Es sagt einiges aus, dass der beste Moment von „Edison – Ein Leben voller Licht“, wenn der Titelheld und sein Gegenspieler zum Ende endlich einmal zusammen im Bild sind, um sich zumindest kurz, dabei offen und ehrlich zu unterhalten, historisch nicht belegbar ist, sondern von Autor Mitnick dazu erfunden werden musste.

Fazit: 

Trotz jeder Menge Star-Power und beeindruckender visueller Schauwerte will der Funke aufgrund der leider ziemlich faden Story einfach nicht überspringen. Ein Film über Strom, dem die Spannung fehlt und daher von uns nur 4 von 10 Punkte bekommt. (mk)